Grünes Gold
von Peter Korneffel - Die Zeit Nr. 22 - 20. 05. 2009
Ecuador und Deutschland schlagen der Welt einen Milliardendeal für den Klimaschutz vor: Rettung der Tropenwälder gegen Zahlung von Geld.
Absonderliche Ideen zur Rettung der Regenwälder haben Konjunktur. Deutsche Biertrinker tranken im vergangenen Jahr die Flaschen aus 13,7 Millionen Kästen einer bekannten Biermarke leer und retteten damit 1370 Hektar Tropenwald in Zentralafrika. Monatlich bis zu 15.000 Euro für die Regenwälder spielt die Flatrate des Porno-Portals Fuck for forest ein.
Mit derart symbolischen und halbseidenen Aktionen hält sich die Regierung im südamerikanischen Ecuador nicht auf. Ecuador will 4,8 Millionen Hektar artenreichen amazonischen Regenwald vor Erdölkonzernen und Kahlschlag retten – wenn die Weltgemeinschaft in den kommenden Jahren dafür eine Entschädigung von bis zu zwölf Milliarden Dollar zahlt. Deutschlands Regierung ist der größte Unterstützer dieser weltweit einzigartigen Initiative, die in diesen Wochen in ihre entscheidende Phase tritt.
Ein Hektar Regenwald beherbergt so viele Baumarten wie Nordamerika. Bereits im Herbst 2007 unterbreitete Ecuadors Staatspräsident Rafael Correa der Vollversammlung der Vereinten Nationen die Idee, das Ölfeld von Ishpingo-Tambococha-Tiputini nicht auszubeuten – im Tausch gegen zusätzliche Entwicklungshilfe oder einen Schuldenerlass. Auf 190.000 Hektar werden dort bis zu 850 Millionen Barrel Öl vermutet. Gleichzeitig zählt das Regenwaldgebiet am Westrand des Amazonasbeckens – ein Teil des Nationalparks Yasuní, der Unesco-Biosphärenreservat und Weltnaturerbe ist – zu den artenreichsten Regionen der Welt. Ein einziger Hektar Regenwald beherbergt fast so viele Baumarten wie ganz Nordamerika. Waldindianer leben hier noch ohne Kontakt zur Zivilisation – und wären in ihrer Existenz bedroht, wenn internationale Erdölkonzerne die lukrativen Schürfrechte erhielten.
Dabei hat der Countdown längst begonnen. »Es besteht die akute Gefahr, den Wettlauf gegen die Erdöl-Konzessionen zu verlieren«, sagt die entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Ute Koczy: »Dass der Ölpreis jetzt gesunken ist, erhöht den Druck auf Ecuador, neue Fördergebiete möglichst schnell zu erschließen.« Denn das Land, eines der ärmsten in Südamerika, braucht Geld und verdient es vor allem mit Öl. Zwar ist Ecuador noch immer Exportweltmeister für Bananen. Aber auf die entfallen nur ein knappes Zehntel der jährlichen Exporte, 63 Prozent dagegen auf das Öl. 2008 erwirtschaftete Ecuador mit seinen Ausfuhren rund 18 Milliarden Dollar.
Ute Koczy und ihr SPD-Kollege Sascha Raabe brachten den Vorschlag Rafael Correas vor den Bundestag. Der forderte im Juni 2008 auf Antrag von Grünen, SPD und CDU die Bundesregierung einstimmig auf, die Initiative zu unterstützen. »Wir stehen dem Vorschlag grundsätzlich mit Sympathie gegenüber. Auch wenn noch einige Fragen geklärt werden müssten, tendiere ich dazu, es auszuprobieren«, sagt Erich Stather, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Deutschland werde den Milliardendeal »nicht alleine schultern«, sei aber keineswegs nur Mitläufer: »Deutschland ist lead nation in diesem Projekt. Funktioniert das Konzept, verhindern wir in Ecuador eine Katastrophe«, sagt Stather.
Das staatliche Erdölunternehmen Petroecuador, das etwa die Hälfte des Erdöls im Land fördert, hat eingeräumt, dass es entlang der im Land verlaufenden Pipelines bereits jetzt im Jahresschnitt zu 75 Unfällen kommt. Aus geplatzten, defekten und bei Sabotageakten zerstörten Rohren sind schon einige Millionen Barrel Erdöl in das Erdreich und die Flusssysteme gesickert, ein Vielfaches dessen, was einst die havarierten Öltanker Exxon Valdez und Prestige verloren. Seit der Ölkonzern Texaco 1967 erstmals Öl in Ecuador entdeckte, fließen außerdem giftige Bohrabwässer in den Regenwald. Ärzte haben bei den Bewohnern der Gemeinden nahe den Bohrlöchern einen starken Anstieg von Krebserkrankungen festgestellt. »Ecuador muss entscheiden, was es bereit ist für das Erdöl zu opfern«, sagte Rodolfo Barniol, damals Petroecuador-Präsident, schon 2001.
Nun müssen Deutschland und andere Länder überlegen, wie viel ihnen der Umweltschutz in Südamerika wert ist. Was kann als Bemessungsgrundlage für den Tausch »Geld gegen Schutz des Regenwaldes« dienen? Eine Möglichkeit wäre, die Kompensationszahlungen für Ecuador an die zu erwartenden Einnahmeausfälle aus dem nicht geförderten Öl zu koppeln. Allerdings schwankt der Ölpreis ständig. »Man könnte auch den ersparten CO2-Ausstoß zur Grundlage der Bewertung machen«, meint deshalb Stather.
Ecuadors Umweltministerium hat bereits angeregt, dass der mit der Nichtausbeutung des Öls vermiedene CO2-Ausstoß in den Emissionshandel eingehen soll. Das Berliner Entwicklungshilfeministerium finanzierte entsprechende internationale Studien. Ende April wurden der Regierung in Quito von einer niederländischen Consulting-Firma zwei Expertisen vorgelegt, die bei der Klärung der Frage weiterhelfen sollen, ob präventiv vermiedene CO2-Emissionen auf dem europäischen Markt für Emissionen überhaupt verkäuflich wären. Zum anderen sollen sie aufzeigen, ob das Projekt mit anderen internationalen Abkommen kompatibel wäre.
Venezuela drängt: Das Land will Öl aus Ecuadors Naturpark»Warum sollten Verschmutzer der Atmosphäre nicht auch Zertifikate bei denen kaufen, die der Welt die Biodiversität erhalten?«, fragt Roque Sevilla, Präsident des für das Projekt zuständigen Direktoriums. Beim Verbrennen der gesicherten Ölreserven im potenziellen Ölfördergebiet entstünden laut Sevilla 410 Millionen Tonnen CO2. »Setzt man preislich das Äquivalent der normalen Kohlendioxid-Zertifikate an, so können wir Yasuní-Garantiezertifikate für vier bis zwölf Milliarden Dollar verkaufen«, sagt Sevilla. »Indien, China und die USA kommen am Emissionshandel nicht vorbei. Und Konzerne wie Hoechst oder Daimler sollen in Zukunft entscheiden können, ob sie normale oder ecuadorianische Zertifikate an der Börse in Leipzig kaufen.«
Diese neue Variante des Schadstoffhandels wäre ein Tauschgeschäft zwischen den Klimaverschmutzern in den Industrienationen und den Bewahrern des Äquatorgürtels. Die Erlöse sollen in einen international kontrollierten Fonds fließen. Dessen Zinsen wolle Ecuador, so Sevilla, nicht nur im Yasuní-Gebiet einsetzen, sondern damit alle 40 staatlichen Schutzgebiete des Landes fördern, insgesamt 4,8 Millionen Hektar Tropenwald. Der Fonds selbst bliebe unangetastet. »Dadurch haben die Käufer der Zertifikate ein ganz geringes Risiko«, wirbt der Ecuadorianer.
Hat dieser Vorschlag eine Chance? 2007, als Raffael Correa erstmals vor die UNO trat, war die Reaktion noch sehr verhalten. Inzwischen aber gibt es positive Antworten auch aus dem EU-Parlament und aus London. Michail Gorbatschow, Prinz Charles und die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú unterstützen die ecuadorianische Initiative. Für Mai plant Roque Sevilla eine Reise nach Berlin, wo er auf die erneute Zustimmung des Bundestags hofft.
Unterdessen hat Ecuador gewählt. Rafael Correa ist als Präsident bestätigt worden. Einerseits erhöht das die Chance, dass Ishpingo-Tambococha-Tiputini unberührt bleibt. Andererseits wächst der Druck der Ölindustrie. »Correa wird langsam unruhig, auch sein venezolanischer Kollege Hugo Chávez drängt«, sagt Sevilla. Venezuela plant in Ecuador den Bau einer neuen Raffinerie. Und will dafür das Öl aus dem Regenwald.